Das Projekt "Arche unterwegs"
Arche unterwegs - Der Titel des Projekts klingt gut und verheißungsvoll.Was soll ein Schiff -biblisch war es ja eher ein Kasten- anderes tun, als unterwegs sein? Hört sich plausibel an, war es aber in der Genese nicht.
Am Anfang war …
die Gebäudestrukturanalyse 2006. Die Altkirchengemeinde Bünde hatte einen Gebäudeüberschuss von ca. 50 %. Für Südlengern sah es nicht viel besser aus. 2007 fusionierten beide Gemeinden mit diesem ‚Reichtum‘ an Gebäuden und der ‚Last‘, davon welche abzubauen. Bei der Fusion sprach man von ‚Standbeinen‘, der Laurentiuskirche und der Lutherkirche und zwei ‚Spielbeinen‘, damit waren die Versöhnungskirche und die Arche Noah gemeint. Standbeine bleiben, Spielbeine können wegfallen! Ob das Fußballer auch so sehen, ist die Frage…
Warum macht sich ein Gemeindezentrum auf den Weg?
Ein weiteres ‚Problem‘ mit der Pauluskirche löste sich vorerst durch die engagierte Gründung des Fördervereins im Jahr 2008. Es gab Jahre, in denen das Thema ‚Gebäudeabbau‘ schlummerte. 2011 wurde dann eine erste Festlegung notwendig. Wie so oft fiel eine Entscheidung nur wegen des Drucks von außen. Wir mussten ein Gebäude aus der Bewirtschaftung der Finanzgemeinschaft nehmen, um für den restlichen Bestand weiter Finanzhilfen zu bekommen. So wurde das ‚Spielbein‘ Arche Noah aus der Gebäudebewirtschaftung herausgenommen. Hintergrund der Entscheidung waren keine inhaltlichen Gründe, sondern finanzielle: Für die Arche gab es einen Pachtvertrag mit der Frühförderstelle sowie Rücklagen in sechsstelliger Höhe und Spenden, aus der die weitere Unterhaltung und Instandsetzung bestritten würde. Ein Gebäude wirklich aufgeben, wollte auch zu diesen Zeitpunkt niemand. Dazu kam der grundsätzliche Beschluss, eine Teilveräußerung des Dietrich-Bonhoeffer-Hauses anzustreben und so eine starke Reduzierung der Gebäudefläche in der Innenstadt zu erreichen. In den Folgejahren gab es mehrere erfolglose Versuche, einen Teil des Dietrich-Bonhoeffer-Hauses zu veräußern oder dauerhaft zu vermieten, … aber keine Option führte zum Ziel.
Wieder gingen Jahre ins Land. Und so kommen wir zum ‚heute‘, dem Prozess in den letzten zweieinhalb Jahren. Im Herbst 2018 zeigte sich dann, dass die notwendige Erweiterung der Frühförderstelle einen großen Raumbedarf nach sich ziehen würde. Entweder würde es einen Anbau auf dem Gelände geben und in ca. 3-5 Jahren den Aufbau einer Heilmittelpraxis in den bestehenden Gemeinderäumlichkeiten, oder die Frühförderstelle müsste sich nach einem alternativen Standort mit der Konsequenz ‚Wegfall der Pachteinnahmen‘ umsehen. Es gab lange und kontroverse Diskussionen und Überlegungen im Presbyterium, wie zu verfahren sei. Ohne Pachteinnahmen hätten wir die inzwischen auch sanierungsbedürftige Arche nur schwerlich weiter aus eigenen Kräften unterhalten können. So nahm der Plan Fahrt auf, das DBH komplett abzureißen, um einem neuen Gemeindezentrum für die Innenstadt neben der frisch renovierten Laurentiuskirche Platz zu machen. Ziel sollte sein, dass die Arche mit ihrem Angebot besonderer, gut besuchter Gottesdienste und der Arbeit mit Familien und Kindern dorthin ‚umziehen‘ könnte und einen neuen Platz finden würde. So entstand der Grundgedanke von ‚Arche unterwegs‘.
Mit Hilfe des Kirchenkreises wurde ein Projektmanagement 'Arche unterwegs' eingerichtet und mit folgender Zielsetzung (Start April 2018) gestartet: Errichtung eines multifunktionalen, modernen Gemeindezentrums für die Ev.-Luth. Lydia-Kirchengemeinde Bünde am Standort Laurentiuskirche (anstelle des jetzigen Dietrich-Bonhoeffer-Hauses) bis 2024 Überleitung der Arche Noah von einer kirchlichen zu einer diakonischen Nutzung als Frühförderstelle und Heilmittelpraxis möglichst bis 2025, aber erst nach Bezugsfertigkeit des neuen Gemeindezentrums keine zusätzliche finanzielle Mehrbelastung der Kirchengemeinde durch die Zielsetzung. Die Projektleitung unter Thorsten Koch vom Kirchenkreis arbeitet eng mit der Lenkungsgruppe zusammen, die aus Mitgliedern des Presbyteriums besteht. Vor der Beschlussfassung im Presbyterium wurde die Idee einer Gemeindeversammlung vorgestellt. Wie nicht anders zu erwarten, gab es anfänglich große Unruhe, Skepsis und Protest. Aber die gute Präsentation der Fakten schuf auch Verständnis, dass wir als Presbyterium handeln müssen und dies die beste aller Möglichkeiten zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist. So fiel der Beschluss für diesen Weg.
Was hat uns geholfen und was wird uns weiter helfen auf dem Weg?
- Das Sichtbarmanchen des (finanziellen) Drucks zur Veränderung, der lange ausgesessen wurde und grundsätzlich Transparenz: Was geschieht wann und warum?
- Auch die unter uns im Presbyterium, die gegen diese Regelung waren, haben den Beschluss mit getragen und sich deutlich dahinter gestellt. Nach der Entscheidung im Presbyterium sind Presbyterinnen und Presbyter aus allen Bezirken in den ersten Wochen in Gottesdienste und Kreise an der Arche Noah gegangen, um Rede und Antwort zu stehen und für dieses Projekt zu werben. Sie haben Fragen, Angriffe und den Frust der Gemeindeglieder im Umfeld der Arche ausgehalten.
- Die Einrichtung eines Projektmanagements, das die Abläufe koordiniert und den Zeitrahmen im Blick behält.
- Der kluge Schachzug mit der Vereinbarung in den Verträgen, dass die Arche erst geschlossen wird, wenn das neue Zentrum errichtet ist. Menschen lassen sich eher mitnehmen, wenn sie das Ziel vor Augen haben, wohin sie umziehen und den Gewinn sehen, nicht nur den Verlust.
- Bisher gute und professionelle Begleitung durch das Projektmanagement des Kirchenkreises und den engagierten landeskirchlichen Architekten, Herrn Herda.
Was ist das Plus dieses Veränderungsprozesses?
- Neben dem Trauerprozess, dem schmerzhaften Abschiednehmen von einem Gebäude, von dem der wohlklingende Projektname etwas ablenkt…, wird der Blick immer wieder auf das gelenkt, was es zu gewinnen gibt: Kirche in der Innenstadt stärken, evtl. Schaffung eines Kulturcampus, Möglichkeiten, sich als Kirche mit entsprechenden Angeboten zu zeigen und wahrgenommen zu werden.
- Vorherrschend bleibt der Eindruck, wir gestalten Sozialraum und leisten einen Beitrag zur Belebung der Innenstadt vor der Tatsache des Abbaus von Gebäuden, aus denen wir uns zurückziehen.
Aktueller Stand/Ausblick:
Durch Gespräche mit Verantwortlichen in Verwaltung und Politik der Stadt Bünde wurde gemeinsam eine städtebauliche Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, um verschiedene Ideen auszuloten, das Areal in zentraler Lage komplett in den Blick zu nehmen und zu nutzen. Diese wird nach den Sommerferien in einer gemeinsamen Sitzung von Politik, Verwaltungsspitze der Stadt, Arbeitskreis ‚Arche unterwegs‘ und kreiskirchlichen Vertreter*innen vorgestellt und diskutiert. Sagen kann man schon jetzt, dass der Sozialraum als Ganzer in den Blick genommen und die Kirchengemeinde als am Gemeinwohl interessierter und kompetenter Ansprechpartner wahrgenommen wird. Wie es wird, wenn die Arche wirklich geschlossen wird, kann zum jetzigen Zeitpunkt niemand sagen. Es ist aber schon jetzt deutlich, dass das ‚langsame Sterben‘ des Gemeindelebens dort, wie einige erwartet haben, ausgeblieben ist.
Sieghard Flömer