Was die Verbindung hält
Ein echter Segelknoten sieht leicht aus und ist schnell gemacht – wenn man es kann! Wer zum ersten Mal die Anweisungen hört, verknotet eher die eigenen Finger als das feuchte Tau: „Einmal rund, dann quer rüber, einen halben Schlag und jetzt fest ziehen“. Einige Male muss es jeder üben, bis der Knoten schließlich fest sitzt und leicht von der Hand geht. Es hilft, wenn man sich klarmacht, was der Knoten bewirken soll, wozu er dient. Klar, er muss halten, zum Beispiel das Segel, das nass und schwer am Abend aufgerollt wird, damit der Wind es in der Nacht im Hafen nicht packt. Denn am nächsten Tag müssen sich alle Knoten schnell wieder lösen lassen, damit ich weiterkomme. Wenn der Wind gut steht und die Richtung stimmt, kommt es auf den Augenblick an.
Ein Zug und der Knoten löst sich, das Segel lässt sich hochziehen und steht im Wind. Und es zieht das Schiff in die richtige Richtung. Mit wenigen Handgriffen eine Sache festmachen und mit einem Zug wieder lösen, das fordert heraus.
Bekannt ist ja die Geschichte vom sogenannten „Gordischen Knoten“. Nach der alten griechischen Sage prophezeite ein Orakel, dass derjenige die Herrschaft über die Welt erlangen sollte, dem es gelang den verwickelten Knoten zu lösen. Und bekanntlich soll Alexander der Große den kunstvollen Knoten des Königs Gordios, der am Streitwagen die Deichsel mit dem Zugjoch verbunden hat, einfach mit dem Schwert durchgehauen haben. Oder hat der Schlaukopf doch nur den Deichselnagel heraus gezogen?
In jedem Fall legt schon die alte Sage großen Wert darauf, dass sich ein Knoten wieder lösen lässt. Richtig gut ist es, wenn die Lösung des Knotens die Verbindung halten kann. Der Glaube an Gott ist für mich so eine Verbindung, die mich festhält, die sich aber auch lösen lässt, bei Wind und Wetter und durch alle Lebensstürme hindurch. Und sobald ich endlich im sicheren Hafen bin, weiß ich, der Knoten hält fest, ich kann ruhig schlafen.
Wenn ich mich wieder aufmache zu neuen Ufern und mein Blick über den Horizont schweift, wenn die Sehnsucht erwacht neue Ziele anzusteuern, dann löst sich jeder Knoten, das Seil rollt sich ab und hält mich dennoch in fester Verbindung mit dem Ursprung allen Lebens.
Ganz ähnlich kommt es mir vor, wenn ich daran denke, welche neuen Ufer wir in der Gemeinde, in den Kirchen gerade in der letzten Zeit angesteuert haben. Die festen Knoten ließen sich überraschend schnell lösen, ohne Gewalt, einfach weil es notwendig war. Jetzt kommt es darauf an, die Verbindungen zu halten, den Seilen das nötige Spiel zu geben, dass sie sich frei bewegen im Wind.
Denn im Leben wie im Glauben erweisen sich die Verbindungen als besonders stabil, die Bewegung zulassen. Das erleben wir jedes Mal neu auf der Segelfreizeit. Die Konfirmanden bleiben auch nach der Konfirmation mit Gott verbunden, selbst wenn ihr Glaubensseil weniger fest geknotet scheint als in der Zeit der Vorbereitung.
Ihre Silke Reinmuth
ANGEDACHT 2021
März | Sieghard Flömer | Pessimist und Optimist |
Juni | Alexandra Hinsel | Segensmomente |
Juli | Rainer Wilmer | Aufschieberitis |
Dezember | Silke Reinmuth | Was die Verbindung hält |